Zu einer Erinnerungsfeier anlässlich des 81. Todestages von Helmuth Hübener lud die Helmuth-Hübener-Schule in Berlin am Freitag, den 27. Oktober 2023 ein. Im Rahmen der Veranstaltung wurde die Ausstellung „Erinnerungswege“ eröffnet und ein in Kooperation mit dem Anne-Frank-Zentrum geschaffener Comic-Reader zu Helmuth Hübener vorgestellt.
Die Berliner Justiz- und Verbraucherschutzsenatorin Dr. Felor Badenberg hob die Unerschrockenheit des Gewürdigten hervor. „Der Schauprozess konnte Helmuth Hübener nicht beeindrucken“, erklärte sie. Noch im Gerichtssaal habe er unbequeme Fragen gestellt und seine Stimme gegen das Unrecht erhoben. Er habe die alleinige Verantwortung übernommen und so seine Mitstreiter vor schlimmeren Folgen bewahrt. Auf die Bitte der Senatorin hin erhoben sich die Anwesenden für einen Moment des stillen Gedenkens von den Plätzen.
Der in Hamburg geborene Helmuth Hübener wurde als jüngster Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und hingerichtet. Am 27. Oktober 1942 verlor er im Alter von siebzehn Jahren im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee durch das Fallbeil das Leben. Bis zu seinem gewaltsamen Ableben gehörte er der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage an und schöpfte Kraft und Orientierung aus seinem Glauben.
Die Helmuth-Hübener-Schule befindet sich in der Jugendstrafanstalt Berlin. Die jungen Männer, die hier untergebracht seien, gehörten genauso zu Berlin wie alle Jugendlichen der Stadt, bemerkte Bill Borchert, der Leiter der Einrichtung. An politischen Bezügen und Zusammenhängen seien diese sehr interessiert. „Helmuth Hübener, sein Leben und sein Eintreten für seine Überzeugung sind präsent im Alltag dieser Anstalt – auf vielfältige Weise“, fügte er hinzu und blickte zurück auf die Namensgebung der Schule im Jahr 2020.
Die Helmuth-Hübener-Schule wolle vermitteln, wie wichtig der eigene freie Wille sei, ergänzte die Schulleiterin Birgit Lang. Junge Menschen sollten lernen, sich ihr eigenes Urteil zu bitten. Deswegen sei man bemüht, gerade den Geschichtsunterricht spannend zu gestalten, mit Kunst und Dialogen.
Für minutenlangen stehenden Applaus sorgte eine szenische Lesung durch die Inhaftierten, welche die auf Originalzitaten beruhenden Texte mitverfasst hatten. Einige Menschen im Publikum hatten Tränen in den Augen. Die jungen Leute auf der Bühne berichteten aus dem Leben von Helmuth Hübener, Walter Klingenbeck und Günther Discher. Klingenbeck war jugendlicher Widerstandskämpfer, Discher führte seine Liebe zur Swing-Musik ins Konzentrationslager.
Ein Darsteller in der Rolle von Helmuth Hübener trug einen Rap vor, darunter folgende Zeilen: „Hübener mein Name, mein Glaube ist mein Anker. Er gibt die Richtung vor, mein tägliches ‚sei dankbar‘. Ich bin Mormone, doch versteck‘ ich mich? Was die Nazis glauben, das check ich nicht.“ Außerdem zitierte er auf der Bühne wie folgt aus einem Brief, den Helmuth am Tag seiner Hinrichtung an eine befreundete Familie geschrieben hatte: „Mein Vater im Himmel weiß, dass ich nichts Unrechtes getan habe […] Ich weiß, dass Gott lebt, und Er wird der gerechte Richter über diese Sache sein.“
Der neue Comic-Reader sei ein weiteres Glied in einer Kette von Veröffentlichungen, die ihn hoffnungsvoll stimmten, bemerkte der aus den Vereinigten Staaten angereiste Professor Dr. Alan Keele. Er verwies auf die Publikationen des Journalisten Ulrich Sander und auf den Roman „Örtlich betäubt“ von Günter Grass. Zumal sprach er einige Anwesende an. Der aus Salzburg angereiste Verleger Erwin Roth bereite eine neue Auflage seines Buches vor. Ein Team um den Filmemacher Matt Whitaker produziere eine Spielfilmserie auf Grundlage der Geschichte Helmuth Hübeners, die Dreharbeiten für „Truth & Conviction“ sollen im April 2024 in Litauen beginnen.
„Jeder kann dafür sorgen, dass sein Leben nicht sinnlos vergeudet wird“, meinte der Germanist, der vor der Emeritierung an der Brigham Young University im Bundesstaat Utah gelehrt hatte. Wenn jeder in seinem Umfeld – von Helmuth Hübener inspiriert – Dinge zum Guten wende, entstünde ein Multiplikatoreneffekt. „Dies ist ein Kettenbrief und darum weitergeben“, so sei ein von Helmuth verfasstes Flugblatt gekennzeichnet. Der Einsatz für Wahrheit und Gerechtigkeit sei dafür gedacht, nachgeahmt zu werden.
„Von seinem Mut und seiner Widerstandskraft können wir heute lernen“, bestätigte auch Dr. Katinka Meyer, Bildungsreferentin des Berliner Anne-Frank-Zentrums. Sie ermutigte die Menschen im Kultursaal der Anstalt, sich gegen Ausgrenzung und Diskriminierung sowie für ein Klima der Offenheit einzusetzen. An der Schaffung des Readers war das Anne-Frank-Zentrum beteiligt.
An der Erstellung der Ausstellung „Erinnerungswege“ innerhalb der Jugendstrafanstalt Berlin und der Justizvollzugsanstalt Plötzensee wirkten Inhaftierte mit. Darin wird das Schicksal von Gefangenen des Strafgefängnisses Plötzensee während des Nationalsozialismus nachgezeichnet.
Professor Dr. Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, erinnerte in seinem Grußwort an Ereignisse vom September 1943. Am 3. September habe Berlin einen der ersten großen Luftangriffe erlebt. Zweihunderttausend Brandbomben seien auf die Stadt gefallen. Die Gefangenen im Strafgefängnis seien in ihren Zellen geblieben und erst in Keller verteilt worden, als das Dach eines der Gebäude Feuer gefangen hatte. Daraufhin seien binnen weniger Tage 250 Gefangene erhängt worden – die größte nationalsozialistische Mordaktion in Berlin. Ein Unrechtsstaat habe sich damals die Justiz zu Diensten gemacht.
Unter den Gästen waren mehrere Gläubige der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, darunter Vertreter der europäischen Kommunikationsabteilung, des deutschen Landesrates für Kommunikation und der Berliner Gemeinden.
Im vergangenen Jahr – 80 Jahre nach der Hinrichtung Helmuth Hübeners – hatte die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage eine Gedenkfeier in Berlin ausgerichtet. Hübeners Handeln war ungewöhnlich. Die meisten Heiligen der Letzten Tage waren bemüht, sich während der nationalsozialistischen Diktatur von Politik fernzuhalten. Einige erlagen der Faszination staatlicher Propaganda. Der Hamburger Teenager Helmuth Hübener hielt dagegen.