Reportage

Berlins Lange Nacht der Religionen eröffnet Dialoge

Einen kurzen Fußweg von der Siegessäule entfernt und umringt von diplomatischen Vertretungen liegt das Gemeindehaus Tiergarten der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Die Botschaften Luxemburgs, Malaysias, Mexikos, Saudi-Arabiens, Syriens und der Nordischen Länder gehören zur unmittelbaren Nachbarschaft, aber auch die Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung, die Bundesparteizentrale der CDU sowie das Chinesische Kulturzentrum.

Doch ist es nicht die prominente Lage, die Besuchern des Gotteshauses zuerst ins Auge sticht. Noch mehr fällt auf, was sich im Gebäude tut. Die Gemeinde kommt ganz ohne einen bezahlten Geistlichen aus. Die Gläubigen selbst predigen im Gottesdienst – Männer, Frauen und Jugendliche. Das gesamte Gemeindeleben liegt in den Händen von Laien. Auch Kinder finden Gehör und gestalten mit.

"Wir sind eine freundliche und willkommen heißende Kirche. Unsere Gläubigen haben ganz unterschiedliche Hintergründe. Den Einheitsmormonen gibt es nicht," sagt Gregory Fawson. Der US-Amerikaner ist im Brotberuf Medienanalyst und dient seit zwei Jahren nach Feierabend als ehrenamtlicher Bischof. Er spricht fließend Deutsch und begrüßt die abendlichen Besucher am Samstag, den 6. September 2014, persönlich. Zum dritten Mal findet in Berlin die Lange Nacht der Religionen statt. Und wie in den beiden Vorjahren beteiligt sich Bischof Fawsons Gemeinde daran, unterstützt von sieben weiteren Gemeinden Berlins und des nahen Umlandes.

Mit über 250 aktiven Religionsgemeinschaften weist Berlin ein breiteres religiöses Spektrum auf als kaum eine andere Stadt in Europa. Diese Vielfalt soll die Lange Nacht der Religionen sichtbar machen. Fast hundert Synagogen, Kirchen, Moscheen und Tempel öffnen dieses Jahr ihre Türen. Tausende sind der Einladung gefolgt.

Wer sich im Gemeindehaus der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage einfindet, den erwarten Orgelmusik, Gespräche und Kurzfilme aus der Serie "Ich bin Mormone", die sich im Internet großer Beliebtheit erfreut. Die Besucher wollen wissen, was die Mormonen glauben und wie sie leben. Sie kommen schnell ins Gespräch.

Der Dialog von Mensch zu Mensch ist den den Mitgliedern der Gemeinde ein besonderes Anliegen. Grundlage ist der Respekt vor unterschiedlichen Glaubensansichten und Religionen. Mancher Mormone ist an diesem Abend selbst in Berlin unterwegs, um den Glaubensalltag anderer kennenzulernen.

Die Synagogengemeinde Oranienburger Straße bietet Führungen durch die Mikwe und den Synagogenraum. Der Gurdwara Sri Guru Singh Sabha lädt zu einem Sikh-Gottesdienst und gemeinsamen Essen im Langar ein. Große Wandgemälde mit Berliner Stadtszenen können Besucher in der Baptistengemeinde Wedding bestaunen. Der deutschsprachige Muslimkreis beschäftigt sich mit Work-Life-Balance im Islam. Zeiten der Stille gibt es im Andachtsraum der Quäker. Vielfältiger war die Berliner Nacht der Religionen noch nie.

Bischof Fawson zieht ein positives Fazit: "Viele Berliner nehmen sich heute Abend die Zeit, einander zuzuhören. Sie legen Vorbehalte ab und wollen erfahren, was den jeweils anderen bewegt. Das macht Mut, gerade in einer Zeit, in der Religion manchen auch als Vorwand dient, Menschen auszugrenzen oder zu verletzen."

Hinweis an Journalisten:Bitte verwenden Sie bei der Berichterstattung über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bei deren ersten Nennung den vollständigen Namen der Kirche. Weitere Informationen hierzu im Bereich Name der Kirche.