Was der Bevölkerung in den USA über die Religionsfreiheit bekannt ist
Die meisten Amerikaner wissen, dass es sich bei der Religionsfreiheit um eines jener Grundrechte handelt, die in der Verfassung der Vereinigten Staaten gewährleistet werden. Religionsfreiheit wird oft als die "erste Freiheit" bezeichnet. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Gründungsdokumente der USA und Ausgangspunkt für viele weitere Rechte.
Sie ist ein grundlegendes Menschenrecht und wird in vielen Ländern der Welt verfassungsrechtlich geschützt und in globalen Abkommen wie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 gewährleistet. In den Vereinigten Staaten wird die Religionsfreiheit im Allgemeinen als ein unveräußerliches Recht angesehen, das man für sich beanspruchen kann, und als solches wird sie hoch geschätzt.
Doch obwohl man sich in den USA der Religionsfreiheit bewusst ist und sie gemeinhin für äußerst wertvoll erachtet, hat sich bei näherer Untersuchung herausgestellt, dass sich die meisten Amerikaner nicht ganz im Klaren darüber sind, was Religionsfreiheit bedeutet. Infolgedessen verstehen sie auch nicht voll und ganz, warum sie so wichtig ist und was sie erfordert.
Aus Studien wird ersichtlich, dass die meisten Amerikaner die Grundidee erfassen. Der Durchschnittsbürger sieht die Religionsfreiheit als ein Recht an, das viele Menschen in der freien Welt genießen und das es einem gestattet, seine eigenen Ansichten über Gott und ethische Grundsätze zu haben und diesen Anschauungen auch durch Gottesverehrung Ausdruck zu verleihen, wenn man das möchte. Das klingt richtig und ergibt Sinn. Es wäre nicht recht, auf jemanden in Bezug auf seine religiösen oder moralischen Ansichten Zwang auszuüben oder ihn von der Gottesverehrung, wie sie ihm vom Gewissen geboten wird, abzuhalten.1
Was die Religionsfreiheit außerdem mit einschließt
Solche privaten, persönlichen Handlungen sind zwar ein wichtiger Bestandteil der Religionsfreiheit, doch sie machen nur einen Teil von ihr aus. Die Religionsfreiheit reicht viel weiter und geht viel tiefer, als in dieser Beschreibung angedeutet wird. Im grundlegenden Sinne ist die Religionsfreiheit – ähnlich wie die Gewissensfreiheit – das Recht des Menschen, das zu denken und zu glauben, wovon man dem eigenen Gewissen gemäß im tiefsten Innern überzeugt ist, und auch darüber zu sprechen und danach zu leben. Dieses Recht gilt für alle Gläubigen ebenso wie für alle, die keiner Religion angehören.
Solch ein umfassendes Konzept der Religionsfreiheit macht deutlich, dass es sich hierbei um ein tiefgreifendes Recht handelt, das weit über die Tatsache hinausgeht, dass jemand seine eigenen Glaubensansichten hat und ihnen in einem Gotteshaus oder in den eigenen vier Wänden Ausdruck verleiht. Denn Religionsfreiheit gilt nicht nur in der Privatsphäre – als ob man sie nur in der Theorie und im Privatleben genießen dürfte. Sie beinhaltet auch das Recht, im Einklang mit den eigenen ethischen Ansichten und Überzeugungen zu handeln. Es handelt sich dabei nicht nur um das Recht, Gott im Stillen zu verehren, sondern auch um das Recht, den eigenen Glauben frei und in der Öffentlichkeit zu leben.
Glaube führt zu Taten, und das Recht, etwas zu glauben, ohne dementsprechend im Rahmen des Gesetzes handeln zu dürfen, ließe sich wohl kaum als solches bezeichnen. Die meisten würden wohl der Aussage zustimmen, dass es mit den ethischen oder religiösen Ansichten eines Menschen nicht weit her ist, wenn sie keinen Einfluss auf sein Verhalten haben. Anders ausgedrückt steht zu erwarten, dass unsere Glaubensansichten auf unser Verhalten, auf die Erziehung unserer Kinder und den Umgang mit unseren Mitmenschen Auswirkungen haben. Tatsächlich wird durch die Religionsfreiheit das Recht jedes Einzelnen geschützt, im Einklang mit den eigenen religiösen und ethischen Ansichten zu handeln. Die Religionsfreiheit erlaubt uns nicht nur, über unsere eigene Überzeugung nachzudenken; sie ermöglicht es uns auch, sie auszuführen.
Daher lässt sich Religion nicht auf die Privatsphäre beschränken. Natürlich gewährt die Religionsfreiheit dem Einzelnen das Recht, seiner Religion in den eigenen vier Wänden nachzugehen. Doch die freie Rede über religiöse und ethische Angelegenheiten gilt ebenso auch für den öffentlichen Bereich. Sei es im Rathaus, in der Zeitung, im Internet oder anderswo in der Öffentlichkeit: Jeder Mensch hat dank der Religionsfreiheit das Recht, über seine ethischen Überzeugungen zu reden, sie zu erörtern, andere davon zu überzeugen und für seine Sicht der Gesellschaft einzutreten.
Forschungen haben ergeben, dass die Gläubigen in den Vereinigten Staaten zur Gesellschaft beitragen und sie bereichern und verbessern. Sie neigen dazu, soziale Tugenden – etwa gutnachbarliches Verhalten, Großzügigkeit, Hilfsbereitschaft und politisches Engagement – in überdurchschnittlichem Maße an den Tag zu legen. Daher ist es aufgrund der Religionsfreiheit nicht nur erforderlich, dass religiös Gesinnte ihre Meinung öffentlich vortragen dürfen, sondern die Gesellschaft wird dadurch sogar gestärkt.2
Religionsfreiheit leben und schützen
Die Tatsache, dass die Religionsfreiheit auch in der Öffentlichkeit gilt und mehr umfasst als nur das Recht auf private Glaubensansichten, bedeutet jedoch nicht, dass sie alle anderen Belange in der Gesellschaft verdrängt. Das Ziel einer Demokratie besteht darin, dass die unterschiedlichen Interessen aller Bürger berücksichtigt werden. Die Religionsfreiheit und die Gewissensfreiheit sind von wesentlicher Bedeutung, denn durch sie wird das System des friedlichen Zusammenlebens gestützt. Sie müssen mit anderen Erwägungen, wie den Rechten anderer, dem Gesetz und der öffentlichen Sicherheit, abgestimmt werden. Weil diese Rechte jedoch von so grundlegender Bedeutung für die Menschenwürde sind und einen so wesentlichen Beitrag zum Wohle der Gesellschaft leisten, verdienen sie sorgfältigen Schutz.
Der Schutz dieser Rechte obliegt allen Bürgern, die ihre Freiheit schätzen und erkennen, dass die eigene Freiheit nur sicher ist, solange die ihrer Mitmenschen sicher ist. Damit die Religionsfreiheit geschützt werden kann, muss sie umfassend verstanden und in ihrer Gesamtheit anerkannt werden. Ein mangelhaftes Verständnis von Religionsfreiheit kann problematisch sein, da es beispielsweise dazu führen kann, dass Vorschriften und Gesetze erlassen werden, die dieses Recht nur lückenhaft definieren und nicht erschöpfend genug schützen. Unwissenheit in Bezug auf die Religionsfreiheit kann durch Nachlässigkeit auch dazu führen, dass sie nach und nach untergraben wird, bis diese Grundfreiheit am Ende durch Zugeständnisse gefährdet ist. Ein gesundes Verständnis der Religionsfreiheit – die Würdigung ihrer vollen Bedeutung – ist vonnöten, damit sie Bestand haben und gedeihen kann.
[1] Siehe „Survey Fact Sheet: What Americans Know About Religious Freedom“, American Religious Freedom Program, nach dem Stand vom 14. Januar 2012, http://religiousfreedom.org/research/detail/survey-fact-sheet-americans-views-on-religious-freedom; und „What It Means to Be an American“, Brookings Institute and Public Religion Research Institute, nach dem Stand vom 14. Januar 2012, http://www.brookings.edu/reports/2011/0906_american_attitudes.aspx
[2] Siehe Robert D. Putnam und David E. Campbell, American Grace: How Religion Divides and Unites Us (New York: Simon and Schuster, 2010)