Die Religionsfreiheit in der Geschichte der Mormonen
Als eines der grundlegendsten Menschenrechte ist Religionsfreiheit für jeden wichtig. Sie hat jedoch für all jene eine besondere Bedeutung, die irgendwann einmal aufgrund ihrer religiösen Überzeugung unbeliebt waren oder angegriffen wurden. Dies trifft sogar auf die Vereinigten Staaten zu, in denen religiöse Toleranz und Religionsfreiheit schon immer das Ideal waren, das jedoch nicht immer umgesetzt wurde. Von den frühen amerikanischen Baptisten und Quäkern bis hin zu Katholiken, Muslimen und Juden hatten religiöse Minderheiten in Amerika wegen ihres Glaubens und ihrer Bemühungen, nach ihm zu leben, religiöse Verfolgung zu erleiden.
Als eine der religiösen Minderheiten in Amerika wurden auch die Mormonen zuweilen intolerant behandelt. Sie erlitten einige der schimpflichsten Fälle religiöser Verfolgung in der amerikanischen Geschichte. Als die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage im frühen 19. Jahrhundert von Joseph Smith gegründet wurde, wurden die Mitglieder oft mit Argwohn betrachtet und feindselig behandelt. Als die Kirche wuchs und einen größeren Zulauf an Bekehrten hatte, entstanden Konflikte mit anderen Gruppen. Dies lag hauptsächlich daran, dass sich die religiösen Ansichten und Praktiken der Mormonen deutlich von denen anderer Kirchen abhoben.
Die Konflikte in jener Zeit arteten oft in Einschüchterungsversuche und manchmal auch in gewalttätige Übergriffe aus. Pöbelhaufen und Bürgerwehren vertrieben die Mormonen mehrfach aus ihren Siedlungen, brannten ihre Häuser nieder und vernichteten ihre Ernte. Ein besonders tragischer Zwischenfall ereignete sich 1838, als der Gouverneur von Missouri anordnete, dass alle Mormonen vertrieben oder "ausgerottet" werden sollten. Ein brutaler Mob griff eine ländliche Siedlung der Mormonen an, verjagte die Einwohner und massakrierte 17 Männer und Jungen. Aufgrund dieses und weiterer Vorfälle wandten sich die Mitglieder der Kirche an die Regierung der betreffenden Bundesstaaten und auch an die amerikanische Regierung. Ein paar verständnisvolle Freunde der Kirche versuchten zu helfen, doch die Mormonen erhielten kaum Wiedergutmachung.
Die Zeiten der Gewalttätigkeit und der frühen Siedlungen der Mormonenpioniere liegen lange zurück. Inzwischen ist die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage eine weltweit tätige, weithin angesehene Kirche. Doch die Lektionen der Geschichte wirken noch heute nach. Angesichts dieser und weiterer Erfahrungen sind sich die Mormonen auch heute dessen bewusst, dass man die Religionsfreiheit nicht als selbstverständlich hinnehmen darf.
Lehren in Bezug auf die Religionsfreiheit
Schon die frühen Führer der Kirche, darunter auch Joseph Smith, sprachen sich über die Bedeutung der religiösen Freiheit, nach der sie strebten, aus. Die Führer der Kirche lehrten, dass Religionsfreiheit nicht nur den Mormonen, sondern allen Menschen zustand. Joseph Smith war ein besonders großherziger Befürworter dieser Grundsätze. In Nauvoo, einer frühen Siedlung der Mormonen in Illinois, sagte Smith beispielsweise:
Wenn es sich gezeigt hat, dass ich bereit war, für einen 'Mormonen' zu sterben, so erkläre ich angesichts des Himmels ohne Scheu, dass ich gleichermaßen bereit bin, zur Wahrung der Rechte eines Presbyterianers, eines Baptisten oder sonst eines guten Mannes irgendeiner anderen Glaubensgemeinschaft zu sterben. Denn das gleiche Prinzip, das die Rechte eines Heiligen der Letzten Tage mit Füßen tritt, das tritt auch die Rechte eines Katholiken oder jedes anderen Gläubigen mit Füßen, der sich unbeliebt gemacht hat und zu schwach ist, sich selbst zu verteidigen.
Später führte Smith eine Stadtverordnung ein, durch die allen Einwohnern von Nauvoo – auch den Nichtchristen – Religionsfreiheit gewährt wurde. Jede dieser Gruppen sollte "freie Duldung und die gleichen Rechte in dieser Stadt" genießen.1 Joseph Smith erkannte, dass die Religionsfreiheit nur dann gesichert war, wenn sie jedem zustand. Die Wichtigkeit der Gewissens- und Religionsfreiheit kam 1842 auch in einem der dreizehn Glaubensartikel der Kirche zum Ausdruck: "Wir beanspruchen das Recht, den Allmächtigen Gott zu verehren, wie es uns das eigene Gewissen gebietet, und gestehen allen Menschen das gleiche Recht zu, mögen sie verehren, wie oder wo oder was sie wollen."
Auch die führenden Amtsträger der Kirche, die auf Joseph Smith folgten, gingen auf das Thema Religionsfreiheit ein. James E. Talmage, ein langjähriger Apostel der Kirche, schrieb im Jahr 1899: "Die Mitglieder der Kirche Jesu Christi verkünden, dass sie die Grundsätze der Religionsfreiheit und Toleranz vorbehaltlos unterstützen. Das Recht, den Allmächtigen Gott zu verehren, wie es das Gewissen gebietet, wird von ihnen als eines der natürlichen und unveräußerlichen Rechte der Menschheit angesehen." J. Reuben Clark, Mitglied der Ersten Präsidentschaft, erklärte 1935, dass die Gewährleistung der Religionsfreiheit für das öffentliche Leben unerlässlich sei, denn "hinter und am Grunde von allem, was im Leben geschieht und was wir im Leben tun, stehen unsere Religion, unsere Gottesverehrung, unser Glaube und unser Gottvertrauen."2
Der Apostel Bruce R. McConkie schrieb 1985, dass die Religionsfreiheit "gewissermaßen die grundlegendste aller Lehren" des Evangeliums sei. Dies trifft für die Mitglieder der Kirche zu, weil, wie er sagt, die Entscheidungsfreiheit – das angeborene Recht, religiöse Anschauungen und ethische Überzeugungen frei wählen und dementsprechend handeln zu dürfen – allen anderen wesentlichen Lehren und Glaubensgrundsätzen der Mormonen zugrunde liegt. Menschenwürde und Entscheidungsfreiheit beruhen beide auf der Gewissensfreiheit.3
Die heutigen führenden Amtsträger der Kirche wiederholen und betonen jene Grundsätze nach wie vor und erläutern, was Religionsfreiheit ist und warum sie wichtig ist. Elder Dallin H. Oaks hat oft darüber gesprochen, dass die Religionsfreiheit in der heutigen Zeit, da die Religion mit zunehmender Respektlosigkeit behandelt wird, gewahrt werden muss. In einer Rede an der Chapman University im Februar 2011 setzte er sich für den Grundsatz Religionsfreiheit ein und umriss die besorgniserregenden Tendenzen, durch die sie bedroht wird. Elder Quentin L. Cook hat die Mitglieder der Kirche ebenfalls dazu ermutigt, "Fürsprecher der Religionsfreiheit und Sittlichkeit" zu sein. Die Worte dieser neuzeitlichen Führer der Kirche spiegeln die Lehren zur Religionsfreiheit wieder, die von jeher Bestandteil des Mormonentums gewesen sind.
Fürsprecher für die Religionsfreiheit
Die Mormonen halten die Religionsfreiheit aufgrund ihrer Geschichte und ihres Glaubens in Ehren. Doch während sie guten Grund dazu haben, die Religionsfreiheit zu schätzen, beanspruchen sie sie keineswegs für sich allein. Wie schon Joseph Smith möchten die Mormonen, dass dieses Recht zum Wohle aller Menschen bewahrt wird und unangetastet bleibt. Zu einer Zeit, da sich die Angriffe auf die Religionsfreiheit häufen, obliegt es allen religiös und ethisch gesinnten Menschen, dieses grundlegende Menschenrecht anzuerkennen und es zu ihrem eigenen Wohl und dem ihrer Mitmenschen geltend zu machen. Die Mormonen finden, dass sie ausgiebig Grund dazu haben.
[1] History of The Church of Jesus Christ of Latter-day Saints, Band 5, Seite 498f.; Band 4, Seite 306
[2] James E. Talmage, The Articles of Faith, 1899, Seite 406; J. Reuben Clark, Frühjahrs-Generalkonferenz 1935
[3] Bruce R. McConkie, A New Witness for the Articles of Faith, 1985, Seite 655; siehe auch W. Cole Durham, The Doctrine of Religious Freedom", BYU Devotional, 3. April 2001