Einblicke

Gläubige aus der Ukraine finden Zuflucht in Deutschland 

Lena und Nikolai Schaweko wären gerne bei sich zuhause in Tschernihiw in der Ukraine. Sie sind jedoch zutiefst dankbar für ihre neue Bleibe und ihre neuen Freunde in Gasseldorf – besonders für die Gemeinde Erlangen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. 

Weltfluchtlingstag
Weltfluchtlingstag
Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine haben Gemeinden der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage in ganz Europa Flüchtlingsfamilien aufgenommen.2023 by Intellectual Reserve, Inc. Alle Rechte vorbehalten.
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Unter gefährlichen Umständen und mit nur wenigen Minuten Vorbereitungszeit mussten sie ihr Zuhause, ihre Freunde, ihre Nachbarn und ihre Stadt, in der eines ihrer Kinder begraben liegt, hinter sich lassen – noch dazu ihren geliebten Zweig der Kirche Jesu Christi, bei dessen Gründung sie mitgeholfen hatten. 1997 waren sie die ersten Mitglieder in Tschernihiw gewesen. Nikolai wurde dort schon bald darauf der erste Zweigpräsident. Doch sie mussten das ihnen bekannte Leben zurücklassen. 

Ihre Flucht aus Tschernihiw, das nur 60 Kilometer von der russischen Grenze entfernt ist und an einer Hauptstraße nach Kiew liegt, war lebensgefährlich und äußerst beängstigend. Beim Vormarsch der russischen Streitkräfte im Februar 2022 war Tschernihiw direkt betroffen.  Nach drei Tagen des Artillerie- und Raketenbeschusses auf Tschernihiw kam es zu einer kurzen Feuerpause, in der sich Familie Schaweko in der Stadt mit Lebensmitteln versorgen konnte. Kurz darauf gab es weder Wasser, Gas oder Strom und sie mussten draußen auf der Straße kochen, wo es noch gefährlicher war. 

Am neunten und zehnten Tag dieser traumatischen Situation berichtet Lena von Feuergefechten auf ihrer Straße. Da sie keinen Keller hatten, kauerten sie sich gemeinsam auf einem Bett in ihrem Zimmer zusammen, während das ganze Haus aufgrund der Raketenangriffe in der Nähe bebte. Am elften Tag der Angriffe, nachdem durch den ständigen Raketenbeschuss ihr Küchenfenster zerstört und die Eingangstür auf die Straße geschleudert wurde, waren sie zwar völlig erschöpft doch auf wundersame Weise unversehrt – nur zehn Schritte vom Haus entfernt war sogar ein Raketenfragment eingeschlagen. 

Es war eindeutig: Sie waren in Tschernihiw nicht mehr sicher. Doch wie viele andere in der Kirchengemeinde und in der Nachbarschaft, so wollte auch Familie Schaweko ihr Zuhause nicht verlassen.  „Als wir hörten, dass man uns in Autos in Sicherheit bringen wollte, weigerten wir uns mitzufahren“, so Nikolai. Sie hatten Angst davor, die Stadt zu verlassen, da sie von Nachbarn gehört hatten, dass die Stadt von feindlichen Truppen umstellt war. 

Sollten sie die Stadt verlassen oder bleiben? Dieses lebensgefährliche Dilemma hatte für sie aber recht schnell eine Antwort parat, als Wowa und sein Zwillingsbruder Sascha mit dem Auto vorfuhren. Unter Lebensgefahr brachten Sascha und Wowa Menschen aus Kampfgebieten in Sicherheit. Sie hatten gebetet, um zu wissen, ob sie die Stadt verlassen sollten. Lena sagte: „Die Antwort kam ihnen ganz klar: ,Geht! Macht so schnell ihr könnt!‘“ Sofort fuhren sie zu den Schawekos und holten sie ab. Als sie alle aus Tschernihiw wegfuhren, begann der Raketenbeschuss erneut. 

Wie schon 25 Jahre zuvor, als Nikolai und Lena das Evangelium Jesu Christi angenommen und sich der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage angeschlossen hatten, ließen sie auch nun ihr bisheriges Leben zurück und stellten sich einer ungewissen Zukunft.  

Ihre Flucht aus der Ukraine war von Verunsicherung, Gefahr und Schlafmangel gekennzeichnet. Manchmal mussten sie sich bei Raketen- und und Artilleriebeschuss auf den Boden werfen. Kurz vor der nächtlichen Ausgangssperre erreichten sie Kiew, wo ihnen eine andere Familie Unterschlupf für eine Nacht gewährte. 

„In Kiew sahen wir ausgebrannte Fahrzeuge und Leichen auf den Straßen“, so Lena. Sie erfuhren, dass fünf der freiwilligen Fahrer, die wie Sascha andere in Sicherheit brachten, getötet worden waren.   

In dieser schwierigen Zeit wurden sie vom Glauben getragen. „Wenn man viel durchmacht, betet man mehr“, so Lena. „Ich betete, dass unser Haus halbwegs unversehrt bleiben möge und dass wir überleben würden. Dann betete Nikolai, dass unsere Nachbarn nicht leiden mussten.“  Später erfuhren sie, dass ihr Haus schwer beschädigt wurde: das Dach war abgesackt und in den Wänden waren Risse.  

Doch Familie Schaweko blieb auf wundersame Weise bewahrt. Vier strapaziöse Tage lang reisten sie angespannt mit ungewissem Ziel und unsicherer Zukunft gen Westen. Außer der Kleidung, die sie trugen, und ein paar wichtigen Dokumenten hatten sie nichts bei sich. In Polen fühlten sie sich zum ersten Mal wieder sicher, als sie bei einer Familie übernachten konnten. Von dort aus ging es für sie dann nach Deutschland weiter. „Nichts war geplant“, berichten sie mit einem Lächeln, „aber es hat alles geklappt.“ 

Schließlich kamen sie in Gasseldorf an, wo sie herzlich aufgenommen wurden. Lena berichtet: „Sie (die Menschen im Dorf) sprachen sich miteinander ab und brachten uns, was wir benötigten.“ „Wir haben Fahrräder bekommen.“ 

Die Gemeinde Erlangen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage „hat dafür gesorgt, dass wir uns wohlfühlen. Sie haben uns Möbel, Geschirr und eine Wohnung besorgt. Der Bischof war mit uns allen Sonntagskleidung kaufen.“   

Nikolai lacht und sagt: „Nach solchen Erfahrungen verlässt man die Kirche nicht.“ Davon ist er fest überzeugt. 

Auf die Frage hin, was andere aus diesen Erlebnissen lernen können, antwortet Lena: „Wir haben auf unserer Reise stets gespürt, dass Gott da war. Es war eine schwierige Zeit. Doch jetzt leben wir in einem Haus, das von der Natur umgeben ist. Für mich macht es das alles ein bisschen einfacher. Denn Gott hat all das Schöne erschaffen. Unser kleines Gasseldorf ist wahrscheinlich der schönste Ort in Deutschland.“ 

Die Schawekos sagen, dass sie eine zweite Heimat gefunden haben. Ihre Tochter, die mit ihnen nach Deutschland geflohen ist, lebt 30 Minuten von ihnen entfernt. Ein weiterer Freund aus der Ukraine lebt ebenso in der Nähe. Dennoch ist Tschernihiw ihr wahres Zuhause. „Wir wollen wieder unser Leben in dem Haus weiterführen, das wir erbaut und in dem wir unsere Kinder großgezogen haben“, sagen sie. Doch so wie sie vor 25 Jahren auf den Herrn vertraut haben, als sie mutig ein neues Leben mit dem Evangelium begonnen haben, vertrauen sie dem Herrn auch heute und nehmen ihr neues Leben in Gasseldorf an. 

Hinweis an Journalisten:Bitte verwenden Sie bei der Berichterstattung über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bei deren ersten Nennung den vollständigen Namen der Kirche. Weitere Informationen hierzu im Bereich Name der Kirche.