Wer mit der Geschichte des Christentums vertraut ist, weiß, dass der Begriff Christ schon immer schwer zu definieren war. Das Wort "Christen" wurde erstmals zur Zeit des Neuen Testaments als Bezeichnung für die Jünger benutzt, die die Botschaft Jesu Christi und die Erlösung durch ihn angenommen hatten (siehe Apostelgeschichte 11:26). Heute, zwei Jahrtausende später, hat die Christenheit über Jahrhunderte hinweg Veränderungen standgehalten und Zeiten des Wachstums, der Verfolgung, der Reformation, der Spaltung, der Globalisierung und noch vieles mehr miterlebt. Das Christentum hat Gläubige aller Völker und Länder inspiriert, vielfältige Formen angenommen und ein weites Spektrum an Lehren hervorgebracht. Infolgedessen diskutieren Vertreter etlicher Religionsgemeinschaften noch immer die Frage, wen man als einen Christen bezeichnen darf und wen nicht.
Die Religion darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen, und so ist es nur recht, sich damit gründlich zu befassen. Und doch haben durchaus ernsthafte und wohlmeinende Diskussionsteilnehmer, wie es Richard J. Mouw, Präsident der theologischen Akademie Fuller, einmal ausdrückte, bisweilen aufgrund ihrer unterschiedlichen theologischen Herkunft "aneinander vorbeigeredet".
Für einige christliche Religionsgemeinschaften wird die Frage, ob jemand ein Christ ist, vor allem von theologischen Grenzen bestimmt. Ihren Vorstellungen nach muss man einer theologischen Tradition anhängen, die auf einem förmlichen Glaubensbekenntnis beruht – wie dem Nizäischen oder der Chalcedonischen Fassung, die erst Jahrhunderte, nachdem Jesus Christus gestorben war und das Neue Testament geschrieben wurde, verfasst wurden.
Es gibt einige Unterschiede zwischen den nach der Veröffentlichung der Bibel entstandenen Glaubensbekenntnissen und den Lehren der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Vor allem glauben die Heiligen der Letzten Tage, dass Gottvater, Jesus Christus und der Heilige Geist in Absicht und Willen zwar eins sind, nicht aber buchstäblich dasselbe Wesen, wie man nach der Vorstellung von der Heiligen Dreifaltigkeit annehmen muss. Außerdem glauben die Mitglieder der Kirche an lebende "Apostel und Propheten" (Epheser 2:20) und an einen weiter gefassten Kanon heiliger Schriften, der sowohl das Alte und das Neue Testament der Bibel als auch das Buch Mormon als weiteren Zeugen Jesu Christi umfasst.
Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage irgendwo als nicht-christliche Kirche zu bezeichnen, führt zu der falschen Vorstellung, im Glauben der Mormonen stünde etwas anderes als Jesus Christus im Mittelpunkt.
Für Heilige der Letzten Tage ist Jesus Christus der Erretter aller Menschen, der heilige Sohn Gottes. Er ist der Jesus Christus aus dem Neuen Testament, der vom Glauben und von der Liebe zu Gott und allen Menschen sprach. Mormonen verehren nicht Mose, Paulus oder Joseph Smith, sondern Jesus Christus – ihm gilt ihre Hingabe.
Wie der Prophet Joseph Smith selbst sagte: "Die wesentlichen Grundsätze unserer Religion [betreffen] Jesus Christus, [nämlich] dass er gestorben ist, begraben wurde und am dritten Tag wieder auferstanden und dann in den Himmel aufgefahren ist; und alles andere, was mit unserer Religion zu tun hat, ist nur eine Beigabe dazu."
Das ist für die Mitglieder der Kirche tagein, tagaus Wirklichkeit. Jesus Christus steht für die praktizierenden Anhänger dieses Glaubens unablässig an vorderster Stelle und im Mittelpunkt. Wenn ein Mormone beispielsweise zu Gott betet, so geschieht dies immer im Namen Jesu Christi. Die Taufe durch Untertauchen steht symbolisch für den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Durch sie schließt man sich der Kirche an. Das Abendmahl (andere christliche Glaubensgemeinschaften bezeichnen es als Kommunion) wird jede Woche im sonntäglichen Gottesdienst zur Erinnerung an die Barmherzigkeit Christi an die Mitglieder ausgeteilt. Wenn ein Heiliger der Letzten Tage Vergebung sucht, so bezieht er sich auf das Sühnopfer Jesu Christi. Er dient den Armen und Bedürftigen und wendet für eine Vielzahl humanitärer Hilfsprojekte Zeit und Geld auf, um so den Lehren Christi zu folgen. Bilder von Christus schmücken die Gemeindehäuser und Tempel der Kirche. Die Führer und Mitglieder der Kirche bezeugen die Existenz und die Göttlichkeit Jesu Christi. Der Sohn Gottes wird im offiziellen Namen der Kirche genannt, nämlich "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage". Auch wenn einige Außenstehende die Heiligen der Letzten Tage als Mormonen bezeichnen, sehen sich die Mitglieder selbst doch als Teil der Kirche Christi.
Im günstigsten Fall kommen Christus und seine Lehre sowohl im Verhalten als auch in der Ausdrucksweise, den Gedanken und dem Charakter der Mitglieder zum Ausdruck. Fragt man ein Mitglied, was es bedeutet, zu dieser Kirche zu gehören, bekommt man zur Antwort, dass es in allererster Linie darum gehe, an Jesus als den Erretter der Welt zu glauben und ihm nachzufolgen.
Ein Christ zu sein bedeutet für die Heiligen der Letzten Tage, ein Nachfolger Jesu Christi zu sein und ihn vor allen anderen zu lieben und zu verehren. Es bedeutet, Christus zu achten und das Leben an seinen Lehren auszurichten, wie sie im Neuen Testament stehen. Es bedeutet, sich um eine Lebensweise zu bemühen, wie Christus sie geboten hat, und ihn damit in Wort und Tat zu ehren. Das bedeutet es, ein Christ zu sein, und es kann keinen Zweifel daran geben, dass die Mitglieder der Kirche Jesu Christi – die ihr Leben nach alledem ausrichten – zur Herde Christi gehören.
Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie Heilige der Letzten Tage Jesus Christus verehren, lesen Sie die offizielle Erklärung der Kirche über den Erretter mit dem Titel "Der lebendige Christus – das Zeugnis der Apostel".
Dieser Text wurde ursprünglich am 3. November 2011 in der englischen Originalfassung auf der internationalen Presseseite der Kirche veröffentlicht.